DARKER THAN BLUE - A Transatlantic Log
Im Rahmen eines Artistic Research-Projektes haben Antje Feger und Benjamin F. Stumpf auf Einladung des Palais für aktuelle Kunst und zum Anlass des 400-jährigen Stadtjubiläums lokale Spuren des neuzeitlichen Kolonialismus in der Hafen- und Handelsstadt Glückstadt verfolgt. Diese ergeben sich konkret aus der Teilnahme Glückstadts am Afrika und schließlich transatlantischen Dreieckshandel und aus dem Nachlass des Glücksstädter Zoologen Rudolf von Willemoes-Suhm, der als Teil der Besatzung der HMS Challenger eine vierjährige Forschungsreise in die Karibik (u.a. Dänisch-Westindien), nach Afrika und in die Südsee unternahm. Das Spektrum der künstlerischen Untersuchung reicht damit von der Gründung der Glückstädter-Afrikanischen Kompanie Mitte des 17. Jhs. bis zur britischen Challenger-Expedition Ende des 19. Jhs. und findet in dem Ausstellungstitel, der ein 2010 veröffentlichtes Buch des britischen Wissenschaftlers Paul Gilroy zitiert, Anschluss an einen aktuellen Diskurs um die Herausforderungen
einer afroamerikanischen Kultur im Bann postkolonialer, neoliberaler Konsum- und Objektgesellschaften.
Die Ausstellung Darker Than Blue – A Transatlantic Log zeigt neben bereits bestehenden Arbeiten aus dem
Werkzyklus Under Palm Trees, neue ortsspezifische Installationen, sowie plastische und akustische Arbeiten, in denen die umfassende Recherche der vergangenen Monate u.a. im Detlefsen-Museum und Stadtarchiv Glückstadt ihr Ergebnis und Ausdruck findet. Under Palm Trees markiert 2011 den Beginn einer vielschichtigen Auseinadersetzung des Künstlerpaares mit der kolonialen Vergangenheit Hamburgs und Schleswig-Holsteins. Eine zentrale Bedeutung haben hierbei die europäische Fremdwahrnehmung und
ihre Selbstdarstellung, sowie die geografischen und anthropologischen Betrachtungen der ehemaligen deutschen und dänischen Kolonialgebiete. Durch z.T. subtile aber stets exakte Setzungen und Kombinationen, ausgehend von der Auswahl des Found Footage-Materials, dessen Dekonstruktion
und Übersetzung, den verwendeten Bildtechniken, Träger- und Präsentationsmedien bis hin zur Titelwahl, verdichten sich die ausgestellten Arbeiten zu Simulacra kolonialer Perspektiven und Konstruktionen des Exotischen und exotopischen Raumes. Die Künstler lenken den Blick auf Zibetkatze, Palmöl, Zucker und Baumwolle, Kartographie, Präparat und Bildtafel, Archiv, Systematik und Völkerschau, auf Objekte, Akteure, Requisiten und Kulissen, Techniken, Mechanismen und Strategien transatlantischer Aneignung und eurozentrischer Stigmatisierungen des Fremden. [...]
Sönke Kniphals
Agavoideae, 2017
Installation, Agave, geritzte Zeichnungen, Spiegel 1,80 m x 1,80 m
In die Agave sind Motive aus der Recherche geritzt u.a. Namen von Glückstädter Akteuren wie dem Sefarden Josua Moses de Henriques, Koordinaten, Jahreszahlen, Landkarten und Grundrisse von Orten, die mit der Glückstädter Kolonialgeschichte in Verbindung stehen wie Cape Coast, St. Thomas, Groß Friedrichsburg und Cape Cost Castle.
Civettictis civetta, 2017
Installation, Cyanotypien auf Baumwollstoff 4.50 m x 1,80 m
Die Afrikanische Zibetkatze (Civettictis civetta) wurde neben anderen Gütern im Glückstädter Hafen gelöscht. Das Sekret der Zibetkatze diente als Inhaltsstoff für Parfüms. Um ihnen das Zibet zu entnehmen wurden viele Zibetkatzen in den vergangenen Jahrhunderten in Käfigen gehalten und in großer Zahl nach Europa importiert.
Radiolaria Haeckeliana, 2017
Installation, Cyanotypien auf Aquarellpapier 2.50 m x 2,20 m
Die Radiolarien (Strahlentierchen), die Rudolf von Willemoes-Suhm auf der Challenger Expedition erforscht hat, stammen u.a. aus Tiefseeschlammproben des tiefsten Punktes des Meeres, dem sogenannten "Challenger Deep" bzw. der Marianengraben. Die Radiolarien wurden später von Ernst Haeckel gezeichnet und in "The Report of the Scientific Results of the Voyage of H.M.S. Challenger during the Years 1873-1876, hrsg. von John Murray, 50 Bde., London 1885-1895" veröffentlicht.
Elaeis guineensis, 2017
Installation, Ölpalmen, Holz, Verpackung, Plastik 3.50 m x 2,20 m
Die Ölpalme war ursprünglich in den Regenwäldern von Westafrika beheimatet und wurde dort als Nutzpflanze kultiviert. Nachdem eine industrielle Aufbereitung des Öls möglich war, erfolgte ab etwa 1900 die Anlage von Großplantagen.
Triangular, 2017
Installation, Baumwollstoff, Branding 15 m x 1,50 m
Zeichnung der europäische transatlantischen Handelsrouten zwischen dem 16. und 18. Jh. in Baumwollstoff eingebrannt.
Darker Than Blue, 2017
Installation, Fotografien, Wechselbildhalter rahmenlos mit Museumsglas 2,52 m x 2,36 m
Collage aus der Recherche u.a. im Stadtarchiv Glückstadt und im Detlefsen-Museum.
Challenger Deep, 2017
Installation, schwarze Glasperlen (je 6 mm x 8 mm mit 32 Facetten), Rahmen
Der tiefste Punkt des Ozeans, wurde auf der Challenger Expedition am 23.03.1875 über dem südlichsten Ende des Mariannengrabens (ca. 11.034 m) vor der Südküste Japans vermessen.
Die Perlen beziehen sich auf historische Handelsperlen um 1600.
Darkest Light, 2017
Installation, Mixed Media, Elfenbein, Vitrine, Sound, Loop, 6:22 min.
Freedom is a road seldom traveled by the multitude, Frederick Douglass
Der Elfenbeinstoßzahn - eine Leihgabe des Stadtarchiv Glückstadt - war ein Gastgeschenk eines Abgesandten aus dem Kamerun an die Stadt Glückstadt. Er wurde zusammen mit einem Affenschädel an die Stadt übergeben.
Der Loop besteht aus einem Intro sample aus dem Stück Show ‘Em Whatcha Got, von der US amerikanischen Rapgruppe Public Enemy von dem Album It Takes a Nation of Millions to Hold Us Back. Das Stück beginnt mit einem Zitat von Frederick Douglass und huldigt verschiedene schwarze Bürgerrechtler wie Nelson Mandela, Marcus Garvey, Adam Clayton Powell, Malcolm X, Martin Luther King Jr., and Rosa Parks. Im Orginal stammt das hypnotische Saxofon-Fragment von der Pariser Funk Combo Lafayette Afro Rock Band aus dem Song Darkest Light von 1972.
Frederick Douglass - 1818 geboren als Sklave in Maryland - wurde bekannt als Abolitionist und Schriftsteller. Mit 20 Jahren entkam er der Sklaverei und floh nach New York.
Das Ausstellungsprojekt DARKER THAN BLUE - A Transatlantic Log im Palais für aktuelle Kunst, Glückstadt wurde kuratiert von Sönke Kniphals und gefördert durch die Kulturstiftung Schleswig-Holstein und die Stadt Glückstadt.
Mit freundlicher Unterstützung des Detlefsen-Museums, dem Stadtarchiv Glückstadt und der Willemoes-Suhm-Stiftung