Antje Feger /
Benjamin F. Stumpf

Oculus non vidit, nec auris audivit * [1 Kor 2,9]

Dieses Zitat - in Anlehnung an den arabischen Philosophen Ibn Tufail - als Titel einer von Antje Feger und Benjamin F. Stumpf 2013 in Istanbul realisierten Installation, verweist auf einige zentrale Aspekte in ihren Arbeiten. In recherchebasierten Installationen, Interventionen und Performances beziehen sich die beiden Künstler häufig spezifisch auf den konkreten Ort und dessen Kontext. Ausgehend von Zufallsfunden, Rückständen, Spuren früherer Nutzung, Erzählungen und Einschreibungen entspinnen sich Untersuchungen, Dokumentationen und Sammlungen, die als Materialfundus für künstlerische Manifestationen dienen. Das Interesse ihrer künstlerisch anthropologischen Forschung gilt dabei besonders in den jüngeren Arbeiten einerseits Fragen nach Darstellung und Repräsentation des Anderen, den Funktionslogiken von Stereotypen und deren Naturalisierung, denen sie im Werkkomplex Under Palm Trees am Beispiel der ideologisierten und funktionalisierten Darstellung des Fremden und Exotischen in künstlerischen wie wissenschaftlichen Artefakten der Kolonialzeit nachgehen. Hier wie auch in den Werken, die sich mit Sprache und Zeichen, deren Kodierung, Überlieferung, Speicherung und Verfremdung befassen wie beispielsweise ihre Arbeiten zu Verschlüsselung und Spionage während des kalten Krieges, geht es den Künstlern weniger um den einzelnen und speziellen Fall als um die zugrundeliegenden Strukturen und Muster, in denen sich menschliche Intentionen und technische Möglichkeiten wechselseitig zu standardisierten Verfahren verdichten. Das im Prozess der Recherche akkumulierte Material findet in variierten Anordnungen und Formaten Eingang in die Installationen von Feger und Stumpf, die sich jedoch nie auf reine Dokumentationen oder die Präsentation von Archiven beschränken. Vielmehr wird das Recherchematerial übersetzt in Inszenierungen und Arrangements, die bewusst mit szenischen, filmischen und objektästhetischen Mitteln arbeiten. So entstehen atmosphärische Erfahrungsräume, die sich nicht auf den vermeintlich objektiven Informationsgehalt des integrierten Materials reduzieren lassen, sondern in deren präzisen Inszenierungen von Interferenzen, Disharmonien und Abweichungen vom Gewohnten sich die Objekte - im Sinne von Juliane Rebentischs Verständnis der Spezifik ästhetischer Erfahrung - nicht feststellen lassen in ihrer steten Bewegung zwischen Ding und Symbol. Statt investigativ über Sachverhalte aufzuklären, bleiben Bezüge in den Settings vage und gerade in dieser Uneindeutigkeit verweisen sie den Betrachter auf seine Eigenaktivität bei der Produktion von Bedeutung, auf seine Funktion als Träger von Vorwissen, Multiplikator von Vorurteilen und kulturellen Prägungen. Darin wiederum besteht die Aktualität der Arbeiten, in Ihrem Bezug auf den Prozess des (so) noch nicht Gesehenen.

*was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat

Lisa Britzger

im Ausstellungskatalog der Stipendiaten der Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein, Overbeck Gesellschaft, Lübeck, 2014.